Wie geht's? Und tschüss!
November 19, 2015
Letztens, kuriose Situation: Ich war eingeladen zum Essen bei einer überschaubaren Gruppe, kam ziemlich pünktlich und war dennoch der Letzte. So war es selbstverständlich an mir, die Runde zu machen und meinen Freunden “Hallo” zu sagen. Dabei fiel mir auf, dass ich zwar häufig gefragt wurde, wie es mir geht, nur die Wenigsten sich jedoch wirklich für mein Befinden interessierten. Oder doch? Ich habe mal recherchiert.
“Wie geht’s?”, “Na, alles gut?”, “Soweit alles fit?“. Klassische (Begrüßungs-)Floskeln, die mir, zugegeben, bestimmt auch mehrfach täglich über die Lippen wandern. Aber interessiert es mich in diesem Moment wirklich? Oberflächlich wahrscheinlich schon, das rede ich mir zumindest gern ein. Auf jeden Fall hoffe ich, dass es meinem Gegenüber gut geht - und genau darum geht es.
Wenn ich gefragt werde, wie es mir oder was so geht, signalisiert mein Gesprächspartner (teils) unbewusst, dass er Interesse an einer sozialen Bindung mit mir hat. Dabei geht es kaum um den Informationsaustausch, viel mehr darum, zu zeigen, dass er höchstwahrscheinlich schon bereit wäre, sich meine Klagen anzuhören, sollte ich wirklich mal in der Klemme stecken! Er ist bestimmt für mich da, wenn’s mal brenzlig wird.
Die Linguistik bezeichnet diese Art der Kommunikation als phatisch. Menschen, die gern direkt und wörtlich kommunizieren, (dabei denke ich bspw. an Sheldon Cooper aus der Serie “The Big Bang Theory”) könnte sie möglicherweise leicht aus der Fassung bringen.
Laut Wikipedia wurde der Begriff 1923 vom polnischen Anthropologen Bronisław Malinowski ins Leben gerufen und dazu die folgende Definition:
Phatische Kommunikation ist eine Art der Rede, bei der durch den bloßen Austausch von Wörtern Bande der Gemeinsamkeit geschaffen werden
Besonders amüsant finde ich die folgende Interaktion, die ich schon häufig erlebt habe:
Kumpel: “Hey, wie geht’s?”
Ich: “Gut soweit, dir?”
Kumpel: “Bis bald dann!”
Und er ging…
Einmal sogar wurde ich nach meinem Befinden gefragt. Da holte ich schon tief Luft, um eine möglichst informative Antwort zu geben (wie naiv), und der Kollege war schon aus meinem Blickfeld verschwunden. Einfach weg! Frechheit!
Da mir jetzt aber klar ist, dass die Art der Reaktion keinesfalls desinteressiert, abgehoben, arrogant oder sonst irgendwie negativ zu bewerten ist, freue ich mich über die positive soziale Verbindung, die wir miteinander haben.
Und wenn ich mich das nächste Mal tiefgehend für das Wohlbefinden meines Gegenübers interessiere, achte ich darauf, die Frage auch entsprechend zu formulieren um auch genau das zu signalisieren.
Die Frage “War der 60. Geburtstag deiner Tante am Wochenende so wie du ihn dir vorgestellt hast?” lädt doch gleich viel besser zum Gespräch ein als ein plumpes “Was ging am WE?”, oder?