Rücksicht. Kurz und kniggig.
September 05, 2016
Ein kleiner rücksichtsvoller Disclaimer vorweg: Dieser Artikel wird zynisch. Wer damit nicht zurecht kommt, möge das Weite suchen!
Einige sind rücksichtsvoller als andere. Weitere dagegen sind überhaupt nicht rücksichtsvoll und werden gern als Egoisten bezeichnet. Witzigerweise wurde ich schon beides genannt. Grund genug der Sache mal wieder auf den Grund zu gehen.
Grundsätzlich glaube ich, dass es rücksichtsvollere Orte auf der Welt gibt als Deutschland. Ein Beispiel dafür sind Länder, in denen es keine Rechts-vor-Links-Regelung an Straßenkreuzungen gibt. Hierzulande undenkbar, weil wir’s immer eilig haben und jeder von uns total privilegiert ist (Achtung Paradox: Wenn alle privilegiert sind, ist niemand privilegiert). Niemand würde auf die Idee kommen zuzugeben, dass der kleine Twingo eher als der Mercedes an der Kreuzung war und deshalb als erstes fahren darf. Ihr wisst schon, eingebaute Vorfahrt und so. Außerdem hat der Twingo einen viel kleineren Motor.
Ähnlich auch in engen, zugeparkten Stadtstraßen. Schon häufig habe ich beobachtet, wie zwei Erwachsene (zugegeben meist männliche Autofahrer) sich mit ihren Autos gegenüberstehen, links und rechts kein Platz zum Ausweichen finden und sich gegenseitig in Rage hupen in einem verzweifelten Schauspiel neandertalischer Problemlösungsstrategien.
Die Lösung ist einfach: ein bisschen mehr Rücksicht demonstrieren! Dann lasse ich den anderen eben fahren. Fahre mein Auto in eine Parkbucht und stehe ganze 5 Sekunden auf der Stelle. Der Blödmann aus dem anderen Auto hat gewonnen, herzlichen Glückwunsch. Und dann geht der Tag entspannt seinen Weg. Der Andere freut sich, ich komme trotzdem nicht zu spät zur Arbeit.
Keine Raketenwissenschaft, könnte man meinen. Trotzdem werden Jahr für Jahr zahlreiche Bücher zum Thema herausgebracht:
- Knigge kompakt
- Knigge im Job
- Über den Umgang mit Menschen usw.
Nun möchte ich mich keinesfalls als Auswendigkenner der Knigge-Reihe positionieren. Ich weiß auch nicht, in welcher Reihenfolge welches Besteck zu welcher Fischsorte verwendet werden soll. Was ich weiß ist, dass das Messer in die rechte und die Gabel in die linke Hand gehört. Einfach nur, damit es, wenn die Plätze etwas enger sind und die Hungernden links und rechts weniger Platz haben, logistisch funktioniert.
Beispielsweise weiß ich auch nicht, wie man Mitglieder der könglichen Familie begrüßt oder wie man förmlich auf einer Hochzeit tanzt. Dafür erkenne ich, dass es sinnvoll sein kann, nicht mit vollem Mund zu sprechen. Einfach weil mein Gegenüber möglicherweise kein Interesse daran hat, Reiskörner, die dann aus meinem Mund gefeuert werden, als Gratis-Beilage auf seinem Teller akzeptieren zu müssen. Und ja, das ist mir schon passiert. Als Empfänger.
Einfache Sachen! Sachen die mit gesundem Menschenverstand begriffen und angewendet werden können. Es geht ja nicht darum, die Menschheit in ihrer Freiheit einzuschränken.
Noch ein Beispiel:
Zuhause nackt herum laufen? Kein Thema!
Seinen Penis neben den Zucchinis im Supermarkt rausholen? Grundsätzlich ist sich die Gesellschaft darüber einig, dass in so einer Situation diverse Knigge-Regeln gerade sehr weit gedehnt werden. Warum? Nein, nicht weil Verwechslungsgefahr besteht. Rücksicht! Das will doch keiner sehen!
Spießig, ich weiß.