Postkarten für Eva
August 17, 2020
Liebe Leserin, lieber Leser – Achtung! Dies ist ein emotionaler Artikel, denn er handelt vom Sterben. Also bitte gut überlegen, ob man hier und jetzt den Mut hat, sich damit auseinander zu setzen.
Ich habe vor einigen Jahren das Vergnügen gehabt, mit einer externen Beraterin in einem Projekt zusammen zu arbeiten. Diese Frau war meines Erachtens, um das mal in den Worten meiner Youngster auszudrücken, „der Shit“. Nach jahrelanger Leitung eines Helpdesks in einem größeren Unternehmen, beschloss sie kurzerhand, sich selbstständig zu machen. Einfach so! Und auch nicht mit Mitte 20, sondern als gestandene Frau, mit Kindern mitten in der Ausbildung und allem was dazu gehört. Studiert hatte sie Germanistik und Geschichte – gerade der Germanistik Faktor führte immer mal zwischendurch zu einer „Reprimande Grande“ während unserer Zusammenarbeit bezüglich meines unachtsamen Umgangs der deutschen Sprache – zu meiner großen Erheiterung, denn Eva hat die Gabe, die Dinge einfach auf den Punkt zu bringen. Außerdem war sie leidenschaftliche Motorradfahrerin, liebt Inselurlaub, sorgt sich um ihre Katze und hatte weiß Gott genug Herausforderungen durch eine plötzliche Phase von Angst-Attacken ihrer Tochter und einen eigenen langen Krankheitsausfall bedingt durch eine schlimme Gleichgewichtsstörung im Innenohr.
Nach Abschluss des Projektes hatten wir immer mal zwischendurch sporadischen Kontakt – wir führten lange Telefonate, während sie u.a. von Berlin zurück nach Hause in den tiefsten Süden Deutschlands fuhr – über alles Mögliche wie z.B. den Tod unserer Mütter, unsere Youngster, Arbeiten in stürmischen Zeiten, und wie es wäre, einmal nochmal wieder richtig verliebt zu sein mit allem, was dazu gehört.
Und dann war längere Zeit Funkstille – dafür gibt es ja immer 1000 Gründe – der Geschirrspüler muss ausgeräumt werden, der Hund versorgt werden, die Steuererklärung gemacht werden….
Ich rief sie eines Tages spontan an, um mal wieder nach langer Zeit ein Sparring Gespräch mit ihr zu führen – Ihre Gedanken zu hören, was Corona und Digitalisierung etc. mit dem Business so machen.
Sie rief mich zurück, freute sich, und sagte dann im 3. Satz, nachdem ich sie fragte, wie es ihr geht: „Weißt du es noch gar nicht? Ich dachte, du wüsstest es?“ – Und ich so: „Hast du dich scheiden lassen? Bist Du verliebt?“
Krebs im Endstadium!
Und nun? Dann sagt diese großartige Frau: „Ich bin immer noch empört, dass es mich getroffen hat.“ Sie ist eine absolute Kämpferin.
Sie erzählte mir in dieser „auf den Punkt bringenden Art“ wie sie damit umgeht, und was für Dinge sie tut: Bahncard und Abos kündigen, noch einige Dinge aus der Vergangenheit aufarbeiten…und mit so viel Ruhe und Humor, dass ich noch nicht mal in Tränen ausbrechen konnte.
Wir wollten abends noch mal länger telefonieren, aber sie hatte keine Kraft. Ich habe ihr angeboten, sich zu melden, aber nur, wenn sie Lust und Energie hat.
Und dann fiel mir ein: Eva liebt Postkarten. 2 Mal die Woche verschicke ich jetzt Postkarten – mit lustigen Sprüchen, Gedichten oder Landschaften – je nachdem, was mir über den Weg läuft.
Mein Großvater sagte einmal: “Wenn jemand dein Herz berührt, sorg dafür, dass die Erinnerung an ihn lebendig bleibt – denn sonst versinkt er in der Dunkelheit des Vergessens und stirbt endgültig.“